Ausbildung kostet oft mehr Zeit als die Ausbilder haben

Berufsausbildung im Handwerk: Ausbilder mit Azubi im Handwerk -

Eine Ausbildung kostet viel Zeit. Wie viele Stunden Aufwand müssen Ausbilder ungefähr veranschlagen, um alle Lernziele an ihre Azubis zu vermitteln? Welche Schritte sind dabei zu beachten? Ausbildungsberater Peter Braune von der IHK Frankfurt am Main hat für die Deutsche Handwerks-Zeitung mal nachgerechnet.

Seneca, ein römischer Dichter und Philosoph, meinte: “Ich habe Zeit, wie denn jedermann Zeit hat, wenn er nur will!” Wenn nur alle Gesellinnen und Gesellen, die sich ernsthaft um die Lehrlinge kümmern wollen, so könnten, wie sie es gerne wollen. In der Regel übernehmen sie diese wichtige Zusatzaufgabe neben ihrer eigentlichen Tätigkeit. Bei der Planung, Organisation und Durchführung müssten sie das Verhältnis der tatsächlich zur Verfügung stehenden Ausbildungszeit zur Anzahl der Lernziele beachten.

Wie viele Stunden stehen zur Verfügung?

So viele Stunden stehen circa für die Ausbildung zur Verfügung: Pro Jahr stehen ihnen 210 Arbeitstage zur Verfügung, das sind 1.680 Stunden. Hiervon abzuziehen sind 320 Stunden für die Berufsschule. Die Ausbildung endet nicht mit Vertragsende, sondern mit der Abschlussprüfung, in der Regel vor den Sommerferien. Dafür sind zwei fehlende Monate ansetzbar, mit etwa 60 Stunden berechenbar. Zu berücksichtigen sind die Fehltage von Ausbildungspersonal und Lehrlingen. Die krankheitsbedingten Fehltage betragen durchschnittlich 15 Tage im Kalenderjahr, das entspricht 120 Stunden. Ein weiterer Punkt ist der Personalwechsel. Setzt man hier wohlwollend zwischen acht und zwölf Prozent an, führt das zu einem Zeitverlust von 100 Stunden. Nur unter Berücksichtigung der genannten Faktoren bleiben für die Ausbildung gerade einmal   etwas mehr als 1.000 Stunden pro Kalenderjahr übrig.

Ausbildung oft nebenbei

Nebenberufliches Ausbildungspersonal muss in einer besonderen Situation mit den Arbeitsaufgaben zurechtkommen. Sie sollen zum einen Leistung erbringen, zum anderen eine vernünftige, inhaltliche und persönliche Unterstützung der Ausbildung leisten. Deshalb muss ein angemessener Teil ihrer Arbeitszeit für die Vermittlung der Kenntnisse und Fertigkeiten aus dem betrieblichen Ausbildungsplan sowie den Erwerb einer angemessenen Berufserfahrung zur Verfügung steht.

Spannende Beispielrechnung

Nehmen wir einmal an, dass in drei Lehrjahren 179 Lernziele im betrieblichen Ausbildungsplan, dem verbindlichen Teil des Lehrvertrags stehen. Die Tätigkeiten und der Zeitaufwand von Ausbilderin oder Ausbilder für jedes Lernziel sind: Methode auswählen, die zur beruflichen Handlungsfähigkeit führt: 0,5 Stunden; Ausarbeitung der gewählten Methode: 3,0 Stunden; Ausarbeitung einer Lernerfolgskontrolle: 2,0 Stunden; Vorbereitungsgespräch mit Lehrling und Rückfragen beantworten: 0,5 Stunden; Durchführung beobachten: 1,0 Stunde; Lernerfolgskontrolle ausführen lassen und beobachten: 1,0 Stunde; Ergebnisse beurteilen: 1,0 Stunde; Ergebnisse besprechen: 1,0 Stunde; Wiederholung, Übung und Vertiefung: 2,0 Stunden. So kumuliert sich der Gesamtaufwand je Lernziel auf 12 Stunden, ganz davon abgesehen, dass die Azubis nicht nur lernen, sondern auch Berufserfahrung sammeln sollen.

Mehr Zeit nötig als vorhanden

Geht man, unter Berücksichtigung der Tätigkeiten und niedrig angenommen, von nur drei Stunden pro Woche aus, die zur Ausbildung nebenberuflich genutzt werden, wären 4.296 Stunden erforderlich. Für alles zusammen, für das Beispiel sowie die gesamte Ausbildungszeit sind jedoch nur rund 3.000 Stunden einsetzbar.

Zahl der Lernziele reduzieren

Zählen Sie die Lernziele von Ihrem Ausbildungsberuf und rechnen anhand von dem Beispiel einmal ganz ehrlich nach. Werden Sie nachdenklich? In einer Handreichung der Kultusministerkonferenz zur Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes ist zu lesen: “Rahmenlehrpläne und Ausbildungsordnungen bauen grundsätzlich auf dem Niveau des Hauptschulabschlusses beziehungsweise vergleichbarer Abschlüsse auf. An diesen wichtigen Leitsatz sollten die Moderierenden vom Bundesinstitut für Berufsbildung und Sachverständigen der Wirtschaft öfter denken, wenn sie eine Ausbildungsordnung erarbeiten. Diese dient zur beruflichen Grundbildung. Hinein gehören nicht alle wünschenswerten Lernziele. Hinein gehören nur alle, die zur Ausübung des Berufes nach abgeschlossener Ausbildung notwendig sind. Alles andere gehört dann in die Weiterbildung.”

 


Autor:
Volksbank in Ostwestfalen – Bild © Industrieblick – adobe stock