Nachweise für die Anerkennung von Berufskrankheiten hilfreich

Zwei Mediziner siten am Tisch und Diskutieren

Das Thema Berufskrankheiten steht in heimischen Unternehmen eher selten auf der Agenda. Doch die Zahl der Fälle steigt seit Jahren, zuletzt sogar sprunghaft und massiv. Wichtigste Hürde bei der Anerkennung von Berufskrankheiten durch Berufsgenossenschaften (BG) oder Unfallkassen ist diese: Leistungen gibt es nur, wenn gemäß der Definition von Berufskrankheiten ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und Beruf besteht. Der aber ist oft schwer nachweisbar, sofern von den Chefs nicht vorgesorgt wurde.

Startpunkt Gefährdungsbeurteilung

Die Firmenleitung sollte eine – inzwischen auch für psychische Risiken vorgeschriebene – Gefährdungsbeurteilung nutzen, um sich auch mit der Gefahrendokumentation für den Fall von Berufskrankheiten auseinanderzusetzen. Wer Vorkehrungen gegen die Gefährdungen für häufige Beispiele von Berufskrankheiten trifft, erfüllt nicht nur gesetzliche Vorschriften. Er oder sie stärkt auch die Einsatzfähigkeit der Beschäftigten und erleichtert einen eventuell später nötigen Antrag wegen einer Berufskrankheit. Firmenchefs und -chefinnen sollten mit den Ansprechpartnern der für sie zuständigen Berufsgenossenschaft und gegebenenfalls ihrer Rechtsanwaltskanzlei klären, wie sie Belastungen dokumentieren können, die häufige Berufskrankheiten auslösen können.

Welche Pflichten gibt es?

Das Thema Berufskrankheiten sollte man ernst nehmen: Unterlassen Unternehmen Sicherheitsvorkehrungen, drohen Regressforderung der gesetzlichen Unfallversicherung. Außerdem müssen Arbeitgeber – ebenso wie Ärztinnen und Ärzte – den Verdacht auf eine Berufskrankheit umgehend den zuständigen Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen melden. Nur so gibt es Leistungen der Unfallversicherungsträger. Diese umfassen neben den Kosten für medizinische Behandlung oder Rehabilitation auch Hilfsmittel, Pflege sowie Geldleistungen. Auch Versicherte oder ihre Angehörigen können den Verdacht auf Berufskrankheiten melden, ebenso die Krankenkassen.

Covid-19 aktuell häufigster Grund

Abgesichert sind durch die BG vor allem Risiken durch häufige Berufskrankheiten, die auf der Berufskrankheitenliste gemäß Verordnung stehen. Anerkannt wird mittlerweile auch Covid-19 sowohl für Angehörige medizinischer Berufe wie auch als Arbeitsunfall auch für andere gesetzlich Unfallversicherte bei. Eine Erkrankung nach Sars-Cov-2-Infektion zählt aktuell zu den häufigsten Berufskrankheiten.

Berufskrankheiten-Liste zählt 82 Positionen

Die Berufskrankheitenliste umfasst derzeit 82 Erkrankungen: Beispiele sind Lärmschwerhörigkeit, Asbestose oder durch Siliziumdioxid ausgelöster Lungenkrebs. Auch „Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe“ – ein klarer Fall etwa beim Dachdecken oder im Straßenbau. „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“, stehen ebenso auf der Liste. Auch „von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten“ oder Tropenkrankheiten. Zudem sind Erkrankungen der Bandscheiben in Lenden- oder Halswirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen von Lasten gute Beispiele für anerkannte Berufskrankheiten.

Zahl der Anerkennungen steigt

Nach Anerkennung als Berufskrankheit sind die Leistungen der Berufsgenossenschaften großzügiger als die der Krankenkassen. Die Berufsgenossenschaften ermitteln nach einem Antrag Versicherungszeiten, Gefährdungen, arbeitsmedizinische Vorsorgen sowie die Krankheitsgeschichte und beauftragen die Begutachtung. Dort, wo die Beweisführung einfach ist, ist auch die Anerkennung hoch. Aber: Was nicht auf der Liste steht, ist bei den BGs nur sehr schwer durchsetzbar. 2018 kam es in 19.748 von 78.384 Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit, 2019 in 18.156 von 79.234 Fällen. Seit 2020 steigt die Zahl wegen Covid-19, das unter Infektionskrankheiten auf der Berufskrankheitenliste steht – und mit ihr die Anerkennungsquote. 2020 fanden 52.956 der insgesamt 106.491 angezeigten Berufskrankheiten eine Anerkennung durch Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, darunter 30.329 Covid-19-Erkrankungen. 2021 erkannten die Unfallversicherungsträger 123.228 von 226.611 Meldungen an, darunter 152.173 Covid-19-Meldungen. 2019 wurden lediglich 787 Infektionen als Berufskrankheit anerkannt.

Psychische Erkrankungen fehlen

Lehnen der Unfallversicherungsträger sowie dessen Rentenausschuss einen Antrag auf Anerkennung als Berufskrankheit ab, können Betroffene dagegen Einspruch einlegen und beim Sozialgericht klagen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten gering. Selbst bei der Anerkennung von Hauterkrankungen als Berufskrankheiten liegt die Anerkennungsquote nur bei zwei Prozent. Vor allem bei den zunehmend verbreiteten psychischen Erkrankungen stehen die Chancen auf Leistungen der Berufsgenossenschaft für Berufskrankheit besonders schlecht. Das Landessozialgericht Bayern hat beispielsweise die Klage eines Versicherungsfachwirts auf Anerkennung seiner Depression und Burnout-Erkrankung abgewiesen. Die dafür nötigen wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine erhöhte Belastung einer bestimmten Personengruppe fehlten, so ihr Argument. Auch im Einzelfall mochten sie eine solche Belastung nicht erkennen.

Belastungsprofile für jeden Job

Um die Anerkennungsquote von Berufskrankheiten näher an das mutmaßlich tatsächlich höhere Maß zu bringen, fordern Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner, dass Betriebe für jedes Jobprofil die durchschnittlichen Belastungen dokumentieren. Diese Daten sollten zentral und nicht personenbezogen nach Tätigkeitsprofilen bei einer unabhängigen Stelle gespeichert werden – als eine Art Gefährdungskataster. Die Berufsgenossenschaft müsste dann öfter Leistungen wegen einer Berufskrankheit übernehmen. Ein solches Prozedere ist allerdings noch nicht Pflicht. Unternehmerinnen und Unternehmer könnten nur aus eigenem Antrieb mehr tun, als die nötigen Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten und Gefährdungen zu dokumentieren.

 


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Ngampol – adobe stock