Wärmeplanung ist eine große Herausforderung für Kommunen

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Die Städte und Gemeinden der Region stehen vor einer großen Aufgabe: Bis zum 30 Juni 2028 müssen alle Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohner einen strategischen Plan erarbeiten, wie vor Ort die Wärmeversorgung dauerhaft sichergestellt werden soll. Großstädte müssen nach dem Willen der Bundesregierung bis Mitte 2026 mit ihrer kommunalen Wärmeplanung fertig sein.  

In der Vergangenheit war die deutsche Energiewende in erster Linie eine Stromwende. Der Wärmesektor stand bisher wenig im Fokus, obgleich er mit einem Anteil von über 50 Prozent am Gesamtenergieverbrauch und 40 Prozent an den energiebedingten Treibhausgasemissionen einen Schlüsselbereich für den Ersatz fossiler Energiequellen darstellt.

Wärmeversorgung ist kleinteiliger

Im Gegensatz zur Stromversorgung ist die Versorgung mit Wärme ungleich kleinteiliger und heterogener, weil sie von vielzähligen Akteuren, Technologien und örtlichen Gegebenheiten geprägt ist. Zu den relevanten Akteuren der lokalen Energiewende gehören neben Politik und Verwaltung die Energieversorger und Netzbetreiber, dasBaugewerbe und die Wohnungsunternehmen, Gewerbetreibende, Industriebetriebe, Rechenzentren, Entsorgungsbetriebe. Außerdem sind Bürgerinnen und Bürger mit ihren privaten Verbräuchen und eventuellen Einspeisungen zu berücksichtigen.

Investoren Planungssicherheit bieten

Die Wärmewende ist nach Meinung von Experten nur bedingt zentral steuerbar, weshalb neben bundespolitischen Weichenstellungen lokale Transformationspfade notwendig sind. Auch, um die oftmals unkoordiniert verlaufenden Maßnahmen vor Ort in ein strategisches Gesamtkonzept einzubinden. Hinzu kommt, dass für eine flächendeckende Wärmewende gewerbliche wie private Investitionen in Heizungsanlagen, Gebäude, Erzeugungskapazitäten und Netze mit hohem Kapitalaufwand und vergleichsweise langen Refinanzierungsräumen getätigt werden müssen. Planungssicherheit spielt für alle Beteiligten daher eine große Rolle.

Vier große Aufgaben

Eine kommunale Wärmeplanung besteht aus vier großen Aufgabenblöcken:

  1. Die Bestandsaufnahme des aktuellen Wärmebedarfs- und Verbrauchs und der daraus resultierenden Treibhausgas-Emissionen, einschließlich der Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypen und den Baualtersklassen, der Versorgungsstruktur aus Gas- und Wärmenetzen und Heizzentralen.
  2. Die Ermittlung der Potenziale zur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme sowie Erhebung der lokal verfügbaren Potenziale für erneuerbare Energien und Abwärme-Speichern. Außerdem sollte die Beheizungsstruktur der Wohn- und Nichtwohngebäude ermittelt werden.
  3. Ein Szenario, um den zukünftigen Wärmebedarf decken zu können.
  4. Maßnahmen – und Umsetzungspläne nach Priorisierung und Zeitplan.

Beteiligte einbinden

Um die Wärmeplanung erfolgreich umzusetzen, sollte im Rathaus eine koordinierende Stelle geschaffen werden, die alle relevanten Akteure frühzeitig einbezieht. Im Rathaus sind das die Bereiche Planung und Entwicklung, Umweltschutz, Klimaschutz, aber auch die Stadtwerke und Eigenbetriebe (Energieversorgungsunternehmen, Wasserversorgung, Wohnungsbau) sowie Energieplanung und Energiemanagement. Gefragt ist auch die örtliche Expertise aus den Bereichen Tiefbau, Hochbau, Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, aber auch aus den Bereichen Baurecht und Denkmalschutz, Grünflächen, Liegenschaften, Forst, Verkehrsmanagement und Kämmerei. Eingebunden werden sollten darüber hinaus die örtlichen Energieerzeuger wie z.B. Landwirte mit Biogasanlagen. Und natürlich Investoren und Hausbesitzer.

Kosten durch Förderung senken

Kommunen, die bis Ende des Jahres Förderanträge senken, können bis zu 90 Prozent Förderung für die extern entstehenden Planungskosten erhalten, finanzschwache Kommunen sogar 100 Prozent. Ab 2024 sinken die Fördersätze auf 60 beziehungsweise 80 Prozent. Zuständig ist das BMWK in Berlin. Über die BAFA gibt es zudem Fördermittel für den Bau neuer und die Dekarbonisierung bestehender Wärmenetze. Doch damit kann nur die Planung finanziert werden, die Umsetzung vor Ort wird viele Millionen bis zu mehreren Milliarden Euro erfordern, die die Mehrzahl der Kommunen schon heute nicht hat. Nicht zuletzt wollen parallel die Stromnetze vor Ort ertüchtigt werden, denn die heutigen reichen nicht aus, vielmehr Wärmepumpen zu betreiben oder E-Autos zu laden.

Besondere Herausforderungen

Eine Wärmeplanung über den kommunalen Gebäudebestand gibt es bisher nur in wenigen Städten Deutschlands, weshalb es kaum Kopiervorlagen gibt. Was im Nachbarland Dänemark seit 1979 Tagesgeschäft ist, wird in Deutschland schwierig: Auf die kommunale Wärmeplanung spezialisierte Berater gibt es nur sehr wenige. Und deren Leistung wird in 11.000 Kommunen, darunter gut 2.000 Städte, dringend gebraucht. Auch vielversprechende Konzepte gibt es nur sehr wenige: Dass man in Neubausiedlungen künftig mit der Wärmepumpe heizt, ist klar. Doch was passiert in den Bestandsimmobilien? Auch neue Wärmenetze mit neuen Heizzentralen zu bauen ist nicht nur extrem teuer, unklar ist auch, womit geheizt werden soll. Auch für den Ausbau von Biogasanlagen wie auch für den von Holz-Heizkraftwerken gibt es natürliche Grenzen in der Verfügbarkeit von Flächen und Waldbestand. Natürliche und menschengemachte Wärmequellen werden in den Fokus rücken: zum Beispiel die Erdwärme/Geothermie (dort, wo die Nutzung technisch möglich ist), oder die Abwärme aus industriellen Prozessen. Oder aus Abwässern. Auch lokale Abfälle werden sich als Potenziale der Wärmegewinnung ins Sichtfeld schieben wie z.B. Grünschnitt, Holzschnitzel. Oder auch die brennbaren Teile des Hausmülls.

Komplexe Lösungen gefragt

Der jährliche deutsche Wärmebedarf liegt bei 1.350 TWh/a, hiervon werden 806 TWh für Raumwärme und Warmwasser und 544 TWh für Prozesswärme benötigt. Häuser zu erwärmen erscheint einfach gemessen daran, wie schwierig es ist, die Nutzung von Erdöl, Erdgas oder Kohle in industriellen Hochtemperatur-Anwendungen zu ersetzen. Die Nutzung von Brennholz ist die Lösung nicht: Der gesamte noch nachhaltig nutzbare Zuwachs der deutschen Wälder kann nur drei Prozent des deutschen Wärmebedarfs decken. Zusammen mit der bereits aus Holz bereitgestellten Wärme von 134 TWh/a sind dies gerade einmal 13 Prozent der deutschen Wärmeversorgung. Die spannende Frage bleibt deshalb vorerst: Aus welchen Quellen sollen die restlichen 87 Prozent kommen?

Umsetzung braucht viel Zeit

Bis alle Kommunen in die Umsetzung ihrer neuen Wärmepläne kommen, wird es viele Jahre dauern. Experten fragen sich zurecht, ob es nicht einfacher wäre, die Erzeugung von erneuerbarem Strom bundesweit stärker zu forcieren und die Übertragungskapazitäten der Stromnetze konsequenter auszubauen. Die Delegierung der Problemlösung von der nationalen auf die kommunale Ebene wird die Wärmewende eher einbremsen denn beschleunigen.

 


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © ekkapon – adobe stock