Streit um die Lieferketten geht weiter

Lieferketten

Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 das deutsche Lieferkettengesetz beschlossen. Das verpflichtet vor allem importierende oder im Ausland produzierende Unternehmen dazu, nicht länger Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder Umweltzerstörung zu dulden. Das Gesetz gilt vom 1. Januar 2023 für alle Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern und von 2024 an auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Somit verbleiben den größten Firmen gerade einmal 18 Monate, um zu prüfen und zu belegen, dass bei ihren Vorlieferanten Menschenrechte und Umweltschutz geachtet werden.

Gegen staatliche Eingriffe in Lieferketten hat sich jetzt das Münchener ifo Institut ausgesprochen. Vielmehr sollten die Bezugsquellen der deutschen Wirtschaft international vielfältiger werden. Prof. Dr. Lisandra Flach, ifo Bereichsleiterin Außenwirtschaft, beschreibt in einem Fachaufsatz, dass die deutsche Volkswirtschaft wie kaum eine andere von offenen Weltmärkten profitiere.

Für Freiheit und Vielfalt

Die deutschen Brutto-Exporte enthielten einen Anteil von 21 Prozent an ausländischer Wertschöpfung. Bei China seien es nur 17 Prozent, bei den USA neun Prozent. Auch werde knapp über 30 Prozent der deutschen Wertschöpfung ins Ausland exportiert, für die deutsche Industrie liege dieser Wert sogar bei rund 60 Prozent. Dabei entfalle allein auf die Nachfrage anderer EU-Länder 20 Prozent der gesamten industriellen Wertschöpfung in Deutschland, 9 Prozent auf die USA und 6 Prozent auf China. Der Rest der Welt schlage mit 25 Prozent zu Buche.

Teure Rückverlagerung

Unternehmen, deren aktuelle Lieferketten die geforderten Standards nicht einhalten können, müssen auch eine Rückverlagerung in Betracht ziehen. Die würfen jedoch laut der ifo Expertin zu enormen Einkommensverlusten führen. Deshalb sollte der Staat sich mit Eingriffen in die Gestaltung von Lieferketten grundsätzlich zurückhalten. Eingriffe sollten auf Basis von klaren Kriterien vorgenommen werden und rechtskonform mit den Regeln der Welthandelsorganisation sein.

EU-Binnenmarkt stärken

Der EU komme eine bedeutsame Rolle zu: 67 Prozent der importierten Waren, die aus fünf oder weniger Zuliefererländern bezogen würden, stammten aus anderen EU-Staaten. Daher gelte es, den gemeinsamen EU-Binnenmarkt zu stärken. Vor allem bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen sei das Integrationspotential längst nicht ausgeschöpft. Häufig stünden mangelnde Harmonisierung, Defizite bei der Umsetzung von EU-Recht oder bürokratische Hürden einer wirtschaftlichen Integration im Weg. Ein besonderes Augenmerk sollte zudem auf die Schaffung eines vollständig integrierten europäischen Marktes für digitale Leistungen gelegt werden.

 

Der ganze Aufsatz „Außenhandelspolitik: Für robuste Lieferketten und gegen Protektionismus“ von Prof. Dr. Lisandra Flach findet sich im ifo Schnelldienst 7/2021.


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Rudenko – adobe stock