Vor kurzem ist ein neues einheitliches Patentsystem in Europa in Kraft getreten. Für Unternehmen wird es damit einfacher und günstiger, geistiges Eigentum in Europa zu schützen und zu nutzen. Teil des neuen Patentsystems ist auch die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts, das für Einheitspatente und bestehende europäische Patente zuständig ist. Damit sollen Unternehmen ihre Patentrechte wirksamer durchzusetzen können.
Margarethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Wettbewerb, sagte dazu: „Das einheitliche Patentsystem wird nicht nur unseren Innovatoren und unserer europäischen Wettbewerbsfähigkeit zugutekommen. Es wird auch dazu beitragen, ausländische Investitionen in die EU zu holen. Mit diesem gestrafften, nicht mehr fragmentierten Patentsystem, das endlich mit dem unserer wichtigsten Handelspartner gleichgestellt ist, wird sich der Patentschutz und die Durchsetzung von Patenten grundlegend ändern.“ Das einheitliche Patentsystem werde die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken und den Binnenmarkt für Patente vollenden. Es wird sich zunächst auf 17 Mitgliedstaaten erstrecken, auf die rund 80 Prozent des BIP der EU entfallen. Die Teilnahme steht künftig auch anderen Mitgliedstaaten offen.
Weniger Aufwand
Das einheitliche Patentsystem bietet eine zentrale Anlaufstelle für die Anmeldung und Durchsetzung von Patenten in Europa. Dies bedeutet geringere Kosten und Verwaltungsaufwand für Innovatoren, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Es ermöglicht Unternehmen und anderen Innovatoren, ein einziges “einheitliches” Patent für ihre Erfindungen zu erhalten, das in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten gültig ist. Damit entfällt die Notwendigkeit, sich in einem komplexen Flickenteppich nationaler Patentgesetze und -verfahren zurechtzufinden. Auch die für europäische Patente geltenden kostspieligeren nationalen Validierungsanforderungen entfallen.
Besserer Schutz
Darüber hinaus wird ein neues Einheitliches Patentgericht (EPG), das für Einheitspatente und bestehende europäische Patente zuständig ist, den Unternehmen die Möglichkeit geben, ihre Patentrechte wirksamer durchzusetzen. Das EPG wird einen kohärenteren Rechtsrahmen für Patentstreitigkeiten schaffen und das Risiko widersprüchlicher Urteile verringern. Konkret wird eine einzige Klage vor dem EPG mehrere parallele Verfahren vor nationalen Gerichten ersetzen.
Die wichtigsten Vorteile
Die wichtigsten Vorteile des neuen Einheitspatentsystems sind:
Niedrigere Kosten für den Schutz von Patenten in Europa: Das neue System bietet einen kostengünstigen Weg für den Patentschutz in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, da es die Notwendigkeit nationaler Validierungs- und Verlängerungsverfahren in jedem EU-Land beseitigt, die kostspieliger und aufwändiger sind. Ein Einheitspatent wird über einen Zeitraum von 10 Jahren weniger als 5.000 Euro an Jahresgebühren kosten, statt wie bisher rund 29.000 Euro für die Verlängerung in den teilnehmenden Mitgliedstaaten. Das Einheitspatent wird auch die Kluft zwischen den Kosten des Patentschutzes in der EU und bei wichtigen Handelspartnern wie den USA oder Japan deutlich verringern.
Eine einzige Anlaufstelle für die Anmeldung von Patenten: Aufbauend auf dem bestehenden Europäischen Patent wird ein neues, gestrafftes Verfahren mit einem einzigen und kostenlosen Antrag auf einheitliche Wirkung, der vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilt wird, den Zeit- und Kostenaufwand für die Erlangung von Patentschutz in mehreren EU-Ländern verringern.
Einheitlicher Schutz von Patenten in den teilnehmenden EU-Ländern: Das Einheitspatent ist ein einziger Patenttitel, der einen einheitlichen Schutz in 17 teilnehmenden Mitgliedstaaten bietet, die rund 80 Prozent des BIP der EU abdecken und zu denen auch die drei größten Volkswirtschaften der EU, nämlich Deutschland, Frankreich und Italien, gehören. Es wird erwartet, dass sich in Zukunft weitere Mitgliedstaaten dem System anschließen werden, so dass letztlich eine EU-weite Abdeckung angestrebt wird.
Höhere Rechtssicherheit bei der Durchsetzung von Patenten: Das neue Einheitliche Patentgericht (UPC) wird die Bearbeitung von Patentstreitigkeiten erleichtern und einen einheitlicheren und berechenbareren Rechtsrahmen schaffen. Es wird auch das Risiko divergierender Rechtsentscheidungen in den teilnehmenden Mitgliedstaaten beseitigen, da eine einzige Klage vor dem UPC mehrere parallele Verfahren vor nationalen Gerichten ersetzen wird. Ein wesentlicher Vorteil des EPG besteht darin, dass es nicht nur Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit den neuen Einheitspatenten, sondern auch mit anderen europäischen Patenten bearbeiten wird.
Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum: Da das neue Einheitspatentsystem Erfindern und Unternehmen eine einfachere und kostengünstigere Möglichkeit bietet, ihr geistiges Eigentum in der EU zu schützen und durchzusetzen, wird es die Innovation fördern. Es wird auch die Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien und Produkte fördern, die Wettbewerbsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum verbessern und gleichzeitig dazu beitragen, ausländische Investitionen in die EU zu holen.
Und so funktioniert es
Die erste Phase des Verfahrens zur Erlangung eines Einheitspatents ist die Einreichung einer europäischen Patentanmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA). Das EPA führt dann eine Prüfung durch, die im Falle eines positiven Ergebnisses zur Erteilung eines europäischen Patents führt. Diese Phase besteht bereits heute und bleibt unverändert.
Innerhalb eines Monats nach der Erteilung kann der Patentinhaber beim EPA beantragen, dass das Patent einheitliche Wirkung für die teilnehmenden Mitgliedstaaten erhält. Gleichzeitig kann der Inhaber des Europäischen Patents dieses auch in weiteren Ländern validieren lassen, die nicht unter das Einheitspatentsystem fallen, und zwar nach den bereits heute geltenden nationalen Verfahren, je nachdem, welcher geografische Geltungsbereich angestrebt wird.
45 Jahre Patentrecht in Europa
Das Europäische Patentamt wurde 1978 gegründet und stellte eine enorme Verbesserung gegenüber den bis dahin bestehenden nationalen Patentregelungen dar. Sobald ein Europäisches Patent erteilt ist, wird es jedoch in ein Bündel von nationalen Patenten aufgeteilt, die voneinander unabhängig sind. Insbesondere müssen Patentstreitigkeiten getrennt vor mehreren nationalen Gerichten verhandelt werden, wobei die Gefahr besteht, dass die Entscheidungen voneinander abweichen.
Erster Anlauf in 2020
Im Jahr 2000 legte die Kommission die ersten Vorschläge für die beiden aktuellen EU-Verordnungen vor, auf denen das Einheitspatentsystem beruht. Die beiden Verordnungen wurden im Jahr 2012 angenommen. Das EPG-Übereinkommen ist ein zwischenstaatliches Abkommen, das 2013 von den teilnehmenden Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde. Anfang dieses Jahres wurden alle Ratifizierungsanforderungen des EPG-Übereinkommens erfüllt, so dass es am 1. Juni 2023 in Kraft treten kann (zunächst für 17 Mitgliedstaaten).
Feintuning folgt noch
Mehrere andere Aspekte des rechtlichen Rahmens für die Patentierung mussten noch verbessert werden. Aus diesem Grund schlug die Kommission am 27. April 2023 Maßnahmen zur Ergänzung des Einheitspatentsystems vor, nämlich neue Regeln für standardessentielle Patente (SEP), Zwangslizenzen für Patente in Krisensituationen und eine Reform der Rechtsvorschriften für ergänzende Schutzzertifikate (SPC), einschließlich der Schaffung eines einheitlichen SPC.
Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Lightfield Studios – adobe stock