Explodierende Energiepreise und deutliche Entlastungen bei der Steuer sorgen aktuell für einen bislang nie dagewesenen Run auf Photovoltaik-Anlagen. Doch nicht alle, die jetzt kaufen wollen, werden zum Zug kommen. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Appino will noch in diesem Jahr jeder vierte deutsche Hausbesitzer eine Photovoltaikanlage auf seinem Dach installieren lassen. Das wären in Summe 3,5 Millionen Anlagen, 17,5 mal so viele, wie im Jahr 2021 errichtet wurden.
Die Motive sind ebenso stark wie vielfältig: Viele hat erschreckt, dass der Strom seit Jahresbeginn mehr als doppelt so teuer ist wie im Jahr zuvor. Auch gibt es aktuell wenig Aussicht darauf, dass der Strompreis in absehbarer Zeit wieder fällt. Hinzu kommt: Angesichts einer Inflation um zehn Prozent fürchten viele um ihre Sparguthaben, suchen nach guten Investments. Einige werden schon länger mit der Anschaffung einer Solarstromanlage geliebäugelt haben. Und es wird nicht wenige bewegen, einen eigenen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten zu wollen.
Steuerfrei und weniger Bürokratie
Ein weiterer Grund, jetzt zu investieren, sind deutliche finanzielle und formelle Erleichterungen für die Betreiber. Das jüngst beschlossene Jahressteuergesetz 2022 befreit Anlagen einer Größe bis zu 30 kWp, die für die Stromeigennutzung auf privaten oder öffentlichen Gebäuden errichtet werden, von der Umsatzsteuer. Zudem können die Betreiber zur Kleinunternehmerregelung optieren, dadurch ihren Buchhaltungsaufwand senken. Eine direkte staatliche Förderung gibt es nicht mehr.
Nachfrage größer als Angebot
Ob der Verzicht des Staates auf die Umsatzsteuer in gleicher Höhe den Kaufpreis für die Hausbesitzer senkt, ist fraglich. Zwar sind in den vergangenen Jahren die PV-Module deutlich billiger geworden, die explodierende Nachfrage wird jedoch die Preise wieder nach oben drücken. Stärker noch als vom Preis dürfte die enorme Nachfrage durch den Mangel an Installateuren ausgebremst werden. Nach dem Ende der frühen Jahre mit sehr hohen Einspeisevergütungen haben einige Montagebetriebe der Branche den Rücken gekehrt; Dachdecker wie Elektriker hatten auch vor dem aktuellen PV-Boom schon alle Hände voll zu tun. Insofern verwundert es wenig, dass manche Betriebe auf lange Wartelisten verweisen und 2025 als nächsten Termin anbieten.
Eigenverbrauch steigert Rendite
Vielleicht entspannt sich die Nachfrage etwas, wenn die Hausbesitzer tiefer ins Thema Stromerzeugung mittels Photovoltaik einsteigen: Der Verband Haus und Grund hat für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Stromverbrauch von 4.000 Kilowattstunden im Jahr mal durchgerechnet, ob sich das Investment auszahlt. Eine Photovoltaikanlage, die diese Menge Strom erzeugt, kostet mit einem Akku, der die Energie zwischenspeichert, rund 15.000 Euro. Legt man für die Ersparnis den aktuellen durchschnittlichen Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde zu Grunde, würde sich die Anlage erst nach 15 Jahren Betrieb amortisieren. Je mehr Strom selbst verbraucht wird, desto schneller rechnet sich die Investition. Die Rentabilität steigt, wenn mehr Elektrogeräte laufen, wenn ein E-Auto geladen wird oder eine Wärmepumpe die Heizung unterstützt.
Einspeisung aktuell noch uninteressant
Von der früher spannenden Einspeisevergütung darf man nichts Nennenswertes mehr erwarten: Deutschlandweit rechneten sich über zwei Millionen Photovoltaikanlagen über die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die garantierte einen Erlös pro ins öffentliche Netz eingespeiste Kilowattstunde Solarstrom mit bis zu 57 Cent pro Kilowattstunde. Inzwischen bekommen Besitzer neuer Anlagen mit sechs Cent nur noch ein Bruchteil dessen, was die Kilowattstunde derzeit kostet, rund 40 Cent.
Habeck will Vergütung verdoppeln
Doch dabei muss es nicht bleiben: Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck kündigte für Ostern einen „Photovoltaik-Booster“ an. Die wichtigste Neuerung soll eine deutliche Anhebung der Einspeisevergütung auf bis zu 12,5 Cent pro Kilowattstunde sein. Das mag die Nachfrage noch einmal antreiben. Die Zahl der Unternehmen, die PV-Anlagen montieren, wird Habecks Booster jedoch kaum anwachsen lassen. Die wenigen, die es derzeit gibt, werden zuerst die Nachfrage nach großen PV-Anlagen befriedigen, alle anderen müssen sich vorerst wohl in Geduld üben.
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Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © anatoliy_gleb – adobe stock