Fachkräftemangel: EU steuert mit Acht-Punkte-Plan dagegen

Kleienr Junge auf Spielzeugtrecker

Angesichts einer immer weiter auseinanderdriftenden Schere bei der demografischen Entwicklung will die Europäische Union jetzt gegensteuern: ein Drittel aller Europäer leben in Regionen, die künftig an Einwohnern verlieren werden. Das verstärkt dort nicht nur den Fachkräftemangel, das bedroht zuerst soziale Infrastrukturen wie KiTas und Schulen. Die EU will jetzt betroffene Regionen informell und finanziell fördern, Einwohner zu halten und Neubürger zu gewinnen. Damit wird sich der Kampf um die besten Köpfe vermutlich weiter verschärfen.

In Ostwestfalen-Lippe sind die eher ländlich geprägten und wirtschaftlich eher schwächeren Kreise von einer zunehmenden Überalterung und einem zu erwartenden Rückgang vor allem der erwerbstätigen Bevölkerung betroffen. Hierzu gehören vor allem Lippe und Höxter. Aber auch Herford und Minden-Lübbecke werden nach Einschätzung der EU-Statistiker künftig zuerst Probleme bekommen sowohl ihre Wirtschaftsleistung wie auch ihre sozialen Infrastrukturen aufrecht zu erhalten. Im EU-Vergleich steht Deutschland noch gut da; unzählige Regionen – gerade an den Rändern Europas – werden ungleich stärker betroffen sein.

82 Regionen sind stark betroffen

Dem Demografiebericht zufolge geht die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den EU-Mitgliedstaaten gerade drastisch zurück. Diese Bevölkerungsgruppe ist zwischen 2015 und 2020 um 3,5 Millionen geschrumpft und wird bis 2050 voraussichtlich um weitere 35 Millionen zurückgehen. 82 Regionen in 16 Mitgliedstaaten – darin leben knapp 30 Prozent der Menschen – stehen vor einem zunehmenden Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, einer geringer werdenden Zahl an Hochschulabsolventinnen und -absolventen oder einer Abwanderung von Menschen zwischen 15 und 39 Jahren.

Vielfältige Herausforderungen

Diese Regionen kämpfen mit spezifischen strukturellen Herausforderungen wie ineffizienten Arbeitsmärkten, ineffizienten Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Erwachsenenbildung, Defiziten in den Bereichen Innovation, öffentliche Verwaltung oder Unternehmensentwicklung und einem geringen Dienstleistungsangebot. In einigen dieser Regionen gibt es bereits eine Blockade bei der Talententwicklung, andere stehen kurz davor. Ohne Gegenmaßnahmen, so ist man sich in Brüssel einig, wird dieses Problem den langfristigen Wohlstand in der EU gefährden.

Talentförderung als Hebel

Mit einem umfassenden Programm unter dem Stichwort „Talentförderung“ will die EU die Ungleichgewichte zwischen den starken und schwachen Regionen schleifen. Acht Aktionen sollen zeitnah anlaufen:

  1. Die EU-Kommission will betroffenen Regionen helfen, maßgeschneiderte und umfassende Strategien auszuarbeiten, umzusetzen und weiterzuentwickeln. Außerdem sollen geeignete Projekte ermittelt werden, mit denen Fachkräfte ausgebildet, angeworben und gebunden werden können.
  2. Die neue Initiative „Intelligente Anpassung der Regionen an den demografischen Übergang“ wird 2023 eingeleitet, um Regionen mit höheren Abwanderungsraten bei ihrer jungen Bevölkerung zu helfen, sich an den demografischen Übergang anzupassen und mithilfe maßgeschneiderter ortsbezogener Maßnahmen in die Talententwicklung zu investieren. Pilotregionen werden ausgewählt, weitere werden Vorschläge einreichen können.
  3. Durch die kohäsionspolitischen Programme und interregionale Innovationsinvestitionen werden Innovationen und die Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze gefördert und damit die Chancen verbessert, Talente in den entsprechenden Regionen zu binden und zu gewinnen.
  4. Im Rahmen der Europäischen Stadtinitiative wird eine neue Aufforderung zur Einreichung innovativer Aktionen veröffentlicht, um unter Federführung von Städten mit abnehmender Bevölkerung ortsbezogene Lösungen zur Entwicklung, Bindung und Gewinnung von Fachkräften zu erproben.
  5. EU-Initiativen zur Unterstützung der Talententwicklung werden auf einer speziellen Website aufgezeigt. Interessierte Regionen erhalten so leichter Zugang zu Informationen über EU-Maßnahmen in den Bereichen Forschung und Innovation, allgemeine und berufliche Bildung sowie Jugendmobilität.
  6. Austausch von Erfahrungen und Verbreitung bewährter Verfahren: Die Regionen können thematische und regionale Arbeitsgruppen zu spezifischen beruflichen oder territorialen Herausforderungen einrichten.
  7. Die analytischen Kenntnisse zur Unterstützung und Umsetzung evidenzbasierter Maßnahmen in den Bereichen Regionalentwicklung und Migration werden weiterentwickelt.
  8. Die Regionen sollen stärker darüber informiert werden, wie sie die bestehenden Instrumente der Regionalförderung besser nutzen können. Dazu zählen das Europäische Semester aber auch die Initiative „Talente im Bereich technologieintensive Innovation“ zur Bewältigung des Fachkräftemangels in Deep-Tech-Branchen, die alle Regionen in Europa umfasst.

Die EU-Kommission wird das Thema Regionalförderung gegen den Fachkräftemangel im Fokus behalten, sagte jetzt zu, regelmäßig über die Umsetzung der Talenteförderung Bericht erstatten.

Weiterführende Links

Hier finden Sie eine Kurzfassung der demografischen Herauforderungen der Regionen Europas (in Englisch)

Hier finden Sie den ganzen 8. Kohäsions-Bericht zum Download (Englisch)

 


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © lamyal – adobe stock