Fachkräftemangel: Ampel schiebt neue Einwanderungsgesetze an

Junge Frau mit Deutschland-Flagge

Das Bundeskabinett hat vor kurzem die Eckpunkte für eine Modernisierung des Fachkräfteeinwanderungsrechts verabschiedet. „Es wird das modernste Einwanderungsgesetz Europas“, versprach Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit drei Ministerkollegen. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) verwies auf rund zwei Millionen unbesetzte Arbeitsstellen in Deutschland. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, die Aufgabe der Fachkräftesicherung habe „höchste politische Priorität aus Sicht der Wirtschaft“. Das Arbeitsministerium werde aus den Eckpunkten „zeitnah“ einen Gesetzentwurf machen, der dann Anfang des Jahres in den Bundestag eingebracht werden solle, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu.

Die deutsche Bevölkerung zählt im internationalen Vergleich mit zu den ältesten. Allein aus demografischen Gründen werde das Erwerbspersonenpotenzial bis 2035 um sieben Millionen Personen sinken, berichtete Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA). Forschungsministerin Stark-Watzinger legte Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor, wonach jährlich 400.000 Menschen zuwandern müssen, um das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland konstant zu halten.

400.000 Zuwanderer pro Jahr nötig

Und so sehen die Eckpunkte der Einwanderungsreform aus: Ausländische Fachkräfte mit einem anerkannten Berufsabschluss dürfen in Deutschland künftig jede qualifizierte Tätigkeit ausüben – auch fachfremd. Bei der sogenannten Blauen Karte EU, die hochqualifizierte Zuwanderer mit Hochschulabschluss beantragen können, will die Ampelkoalition die erforderlichen Gehaltsschwellen absenken. Die liegt aktuell bei 56.400 Euro brutto im Jahr; in den Berufsfeldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und der Humanmedizin gilt ein verringertes jährliches Mindestbruttogehalt von 43.992 Euro. Die Ampel plant jetzt, die Gehaltsschwellen auf das 1,25-Fache des Durchschnittsjahresbruttogehalts beziehungsweise das 1,0-Fache abzusenken. Das entspricht aktuell 48.626 Euro beziehungsweise 38.901 Euro.

Gehaltsschwellen senken

Um zu verhindern, dass qualifizierte Kräfte nicht in Hilfsjobs landen, will die Regierung eine Gehaltsschwelle einziehen. Sie soll bei 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegen, im kommenden Jahr entspricht das einem Jahreseinkommen von mindestens 39.420 Euro. Senken will die Ampelkoalition die Gehaltsschwellen und erforderlichen Sprachkenntnisse für IT-Fachkräfte. Wird die Gehaltsschwelle nicht erreicht, können die ausländische Arbeitskraft und der Arbeitgeber eine „Anerkennungspartnerschaft“ vereinbaren. Die Arbeitsaufnahme ist dann vom ersten Tag an möglich, erforderliche Nachqualifizierungen oder Anerkennungsverfahren laufen parallel.

Berufserfahrung höher bewerten

Zuwanderern, die keinen hier anerkannten Berufsabschluss haben, sollen künftig mit Berufserfahrung punkten können. Wer einen in seiner Heimat staatlich anerkannten Berufsabschluss besitzt und mindestens zwei Jahre Erfahrung gesammelt hat, soll einen Job in Deutschland annehmen dürfen. Ausgenommen sind Berufe, für die neben dem Abschluss eine Zulassung erforderlich ist, wie bei Medizinern oder Anwälten.

Chancenkarte neu einführen

Die Koalition will zudem Zuwanderern die Einreise ermöglichen, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland vorweisen können. Um diese sogenannte „Potenzialsäule“ wurde viel gestritten, der FDP war sie besonders wichtig. Auf einer Chancenkarte sollen Interessenten zudem Punkte sammeln können: Zu den Kriterien zählen neben Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, auch das Alter und der Deutschlandbezug. Der sei gegeben, wenn bereits Angehörige hier leben. Die Chancenkarte soll jeder bekommen, der einen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss vorweisen kann.

Ausbildungswillige erwünscht

Ausdrücklich erwünscht sind junge Zuwanderer, die in Deutschland eine Ausbildung machen wollen Dafür will die Ampel die Hürden weiter senken. So soll geprüft werden, ob die Einwanderung zur Ausbildungsplatzsuche erleichtert werden kann, etwa durch eine Anpassung der Altersgrenze, des geforderten Sprachniveaus oder des erforderlichen Schulabschlusses. Außerdem soll die Vorrangprüfung abgeschafft werden, die bislang die Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung verpflichtet, ob sich für die Lehrstelle ein Kandidat aus Deutschland oder einem EU-Land findet. Auch die Möglichkeiten, parallel zum Studium oder zu einem Sprachkurs zu arbeiten oder ein Schülerpraktikum zu absolvieren, sollen erweitert werden.

Visumverfahren beschleunigen

Während in Berlin an neuen Zuwanderungsregeln gestrickt wird, warten im Ausland Tausende Menschen auf ihre Visa für Deutschland. Hierzu hat sich die Ampel vereinbart, will alle am Visumsverfahren beteiligten Behörden wie die Auslandsvertretungen, die Ausländerbehörden, die BA und die Berufsanerkennungsstellen zusammenbringen, um Problemen in den Verfahrensabläufen zu identifizieren und gemeinsam nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Dazu zähle auch eine stärkere Digitalisierung. Angedacht ist zudem eine zentrale Bundesbehörde für die Fachkräfteeinwanderung.

 


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