Energiekrise: Steht Biogas eine Renaissance bevor?

Biogasanlage hinter Rapsfeld

9.880 Biogasanlagen laufen derzeit in Deutschland, gerade einmal 138 sind im vergangenen Jahr dazugekommen. Das soll sich in Zukunft ändern: Um die Biogas-Erzeugung weiter voranzutreiben, hat die Europäische Union (EU) jetzt einen Biomethan-Aktionsplan erarbeitet. Dieser sieht vor, die erzeugte Menge an Biomethan in den EU-Staaten bis 2030 von aktuell drei Milliarden auf 35 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu steigern. Damit ließe sich etwa ein Fünftel der zuvor aus Russland in die EU importierten Gasmenge ersetzen.

Seit Anfang September 2022 liefert Russland kein Gas mehr nach Deutschland. Und seit dem Beginn der Energiekrise wird verstärkt nach alternativen Versorgungsquellen gesucht. Strom und Wärme aus Biogas könnten Teil einer Lösung sein. Biogas hat sich als nachhaltige Energiequelle seit vielen Jahren bewährt.

Nachhaltige Energiequelle

Zwar ist die Flächeneffizienz bei der Erzeugung von Energie aus Biomasse deutlich geringer als bei Wind- und Solarenergie. Dafür lässt sich Biogas aber wetterunabhängig rund um die Uhr erzeugen und ist zudem speicherbar. Das heißt, die Energie ist wie bei herkömmlichen Kraftwerken durchgehend verfügbar.

Gleich dreifach nutzbar

Biogasanlagen – die oft aber nicht immer von einem oder mehreren landwirtschaftlichen Betrieben gebaut und unterhalten werden, liefern je nach der Struktur der örtlichen Abnehmer Strom, Wärme und/oder sogenanntes Biomethan, das nach spezieller Aufbereitung wie Erdgas genutzt werden kann. Der weitaus größte Teil des erzeugten Biogases wird vor Ort in Strom umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist.

Die Mehrzahl produziert Strom

Die bestehenden Biogasanlagen in Deutschland produzierten im Jahr 2021 rund 33,5 Terrawattstunden Strom. Diese Menge reicht aus, um etwa 9 Millionen Haushalte zu versorgen und entspricht etwa 5,4 Prozent des gesamten Strombedarfs. Mit der Wärmeenergie, die zusätzlich bei der Vergärung von Biosubstraten entsteht, wird der Bedarf von rund 1,5 Millionen Haushalten abgedeckt.

Betreiber können Leistung hochfahren

Die aktuell erzeugten Energiemengen aus Biogasanlagen werden bereits vollständig genutzt. Aber in welchem Umfang könnten kurzfristig zusätzliche Reserven bereitgestellt werden, um Lücken bei den Erdgasimporten zu füllen? Fachleute sehen hier großes Potenzial. Denn bislang konnten die Betriebe nicht die volle Leistung ihrer Anlagen nutzen, weil lange Zeit eine sogenannte Höchstbemessungsleistung galt. Damit wurde festgelegt, bis zu welcher produzierten Strommenge die Betriebe eine zusätzliche Prämie für den gelieferten Strom erhalten. Ohne diese Vergütung ist die Stromerzeugung für die Betreiber weniger rentabel.

Bis zu 20 Prozent mehr möglich

Für das Jahr 2023 wurde diese Höchstbemessungsleistung ausgesetzt, damit Biogasanlagen einen größeren Beitrag zur Energiebereitstellung leisten können. Dadurch kann die Leistung der Biogasanlagen nach Branchenangaben kurzfristig um bis zu 20 Prozent gesteigert werden. Das entspricht etwa sieben Terrawattstunden an zusätzlich verfügbarem Strom. Mittelfristig könnte die derzeitige Stromleistung aus Biogasanlagen nach Einschätzung des Fachverband Biogas sogar verdoppelt werden. Dadurch ließen sich etwa ein Drittel der früheren deutschen Gasimporte aus Russland ersetzen.

Fernwärme kann Heizkosten einbremsen

Im gleichen Umfang erzeugen die Anlagen auch zusätzliche Wärmeenergie. Dadurch könnten entsprechend 20 Prozent mehr Haushalte zusätzlich versorgt werden. In der Regel wird die Abwärme von Biogasanlagen lokal in das örtliche Fernwärmenetz eingespeist. Die Nachfrage nach Wärme aus Biogasanlagen ist laut dem Fachverband Biogas im Jahr 2022 stark gestiegen. In einigen Gemeinden konnte damit der massive Anstieg der Heizkosten deutlich abgefedert werden.

Zu wenig Biomethan verfügbar

Ein anderer Weg, fossiles Gas zu ersetzen, ist die Nutzung von Biogas als Biomethan. Denn wie Erdgas besteht auch Biogas zu großen Teilen aus Methan. Allerdings kann Biogas fossiles Erdgas nicht 1:1 ersetzen, sondern muss in einem gesonderten Prozess gereinigt und aufkonzentriert werden. Erst dann kann es wie Erdgas genutzt und ins Gasnetz eingespeist werden. Die notwendige Technik ist jedoch teuer, weshalb nur wenige Betriebe in die Aufbereitungstechnik investiert haben.

Verdreifachung erscheint möglich

In Deutschland gab es 2022 nur etwa 250 Anlagen. Entsprechend gering sind die verfügbaren Mengen an Biomethan. Sie machen nur etwa ein Prozent der am Gasmarkt benötigten Menge aus. Würde man die Erzeugung von Biomethan durch gezielte Förderung forcieren, ließe sich dieser Anteil laut einer Studie des Deutsche Biomasseforschungszentrums (DBFZ) mittelfristig immerhin verdreifachen.

Runde Tische für Biogas

Ob sich der Bau neuer Biogasanlagen rechnet oder ob die Umnutzung einer bestehenden zum Beispiel als Fernwärmequelle empfehlenswert ist, können vor allem die Akteure vor Ort prüfen: Dafür sollten sich Betreiber und mögliche Investoren mit den Bürgermeistern und den Experten der Stadtwerke zusammensetzen. Denn manche neue Lösung lohnt sich auch ohne eine große Förderung.

 


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Natascha – adobe stock