Die Deutschen sitzen sich krank

Mann sitzt auf Tribüne

Bereits zum siebten Mal haben die DKV Deutsche Krankenversicherung AG und die Deutsche Sporthochschule Köln unter der wissenschaftlichen Leitung von Ingo Froböse das Gesundheits- und Bewegungsverhalten der Deutschen in einer repräsentativen Umfrage untersucht. Besonders eindrücklich: Jede Deutsche bzw. jeder Deutsche sitzt durchschnittlich 9,2 Stunden am Tag und damit noch einmal eine halbe Stunde länger als während der Pandemie (2021: 8,7). Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar mehr als 10 Stunden.

Gesund leben nur 17 Prozent

Nur 17 Prozent der Befragten erreichen den Benchmark für ein rundum gesundes Leben in allen fünf Lebensbereichen: körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden. Das heißt, sie bewegen sich ausreichend, sie ernähren sich ausgewogen, verzichten auf Nikotin und Alkohol und können mit ihrem Stressaufkommen gut umgehen. Damit leben im Vergleich zu 2021 zwar wieder mehr Menschen ein rundum gesundes Leben (2021: 11 Prozent), dennoch bleibt das Niveau niedrig.

Frauen bewussterer als Männer

Frauen haben dabei die Nase vorn: Während jede fünfte Frau (20 Prozent) alle Benchmarks meistert, schafft das nur jeder siebte Mann (14 Prozent). Die Auswertung nach Bundesländern zeigt, dass die Einwohnerinnen und Einwohner von Rheinland-Pfalz/Saarland und Baden-Württemberg am häufigsten alle Benchmarks erreichen (beide 21 Prozent). Das Schlusslicht bildet Nordrhein-Westfalen: Nur jeder achte Bürger erreicht hier alle Benchmarks für einen gesunden Lebensstil (12 Prozent).

Rote Laterne für NRW

Die Sitzzeiten steigen ungebremst weiter an: In den letzten sieben Jahren hat sich die durchschnittliche Sitzzeit an Werktagen eines jeden Deutschen kontinuierlich gesteigert. Im Jahr 2023 lag diese pro Tag bei 554 Minuten und hat sich damit seit der letzten Befragung um eine halbe Stunde verlängert (2021: 523 Minuten). Im Osten wird dabei weniger gesessen als im Westen. Am wenigsten sitzen die Einwohnerinnen und Einwohner in Brandenburg (8,4 Stunden). Nordrhein-Westfalen hält mit fast 10 Stunden werktäglicher Sitzzeit erneut den Negativrekord. „Eine Verminderung der täglichen Sitzzeiten durch Bewegung reduziert das Sterberisiko erheblich“, erläutert Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Jeder Zweit hat zu viel Stress

Knapp mehr als die Hälfte der Befragten erreicht den Benchmark Stress – trotz einer Verbesserung zu 2021 – weiterhin nicht. (2023: 48 Prozent, 2021: 40 Prozent). 28 Prozent empfinden die Stressbelastung als hoch beziehungsweise sehr hoch. Letzteres ist vor allem bei Frauen (32 Prozent) stark ausgeprägt und dies häufiger als bei Männern (25 Prozent). Auch das Alter spielt eine Rolle: Die Menschen in der sogenannten „Rushhour des Lebens“, im Alter zwischen 30 und 45 Jahren, erreichen bei der Auswertung nach Altersgruppen am wenigsten häufig den Benchmark Stress.

Eltern besonders betroffen

In der Lebensphase, in der Beruf, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen häufig aufeinandertreffen, bleibt wenig Zeit, um die Stressbelastung zu kompensieren. Deshalb ist es nicht überraschend, aber umso alarmierender: Nur 35 Prozent der 30- bis 45-Jährigen erreichen den Benchmark Stress und nur 10 Prozent führen ein rundum gesundes Leben.

Psychisches Wohlbefinden leidet

Der durchschnittliche Wert des subjektiven Wohlbefindens unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen DKV-Reports liegt bei 62 von 100 möglichen Prozentpunkten (Frauen 61, Männer 64). Jeder vierte Befragte gibt jedoch mit weniger als 50 Prozentpunkten ein niedriges subjektives psychisches Wohlbefinden an; ein Wert, der von Wissenschaftlern nicht nur als kritisch eingestuft wird, sondern auch als erster Hinweis für die Entwicklung einer Depression angesehen werden kann. Mit anteilig 29 Prozent erreichen Frauen häufiger ein niedrigeres subjektives Wohlbefinden als die männlichen Befragten mit 22 Prozent.

Zwei von fünf trainieren Ausdauer

Eine ausdauerorientierte Bewegung – mindestens zweimal pro Woche – schafften nur 40 Prozent der Befragten. „Dabei profitieren vor allem die Älteren stark von einem regelmäßigen Muskeltraining, denn ab dem 30. Lebensjahr geht die Muskulatur ohne Training stetig zurück. Mit Muskeltraining können wir dagegen arbeiten und damit sogar einen wichtigen Schutzfaktor gegen Pflegebedürftigkeit im Alter aufbauen“, erklärt Ingo Froböse. Nur 38 Prozent erreichen die kombinierten Bewegungsempfehlungen von Ausdauer- und Muskelaktivität.

Aktive Pausen nur selten

Das Gleiche gilt für aktive Erholungspausen im Arbeitsalltag: Aktivitäten, wie zum Beispiel Spazieren gehen (70 Prozent), Ausgleichübungen/Sport (67 Prozent) oder auch Entspannungstechniken (47 Prozent) werden zwar häufig als sehr gut beziehungsweise gut bewertet – genutzt werden sie aber nur selten: Nur 19 Prozent gehen Spazieren, 5 Prozent machen Ausgleichsübungen/Sport und lediglich 4 Prozent nutzen Entspannungstechnik im Arbeitsalltag.

Gesundheitskrise droht

Die aktuellen Umfrageergebnisse des Reports verdeutlichen die Notwendigkeit für ganzheitliche Präventionsstrategien. „Ohne vollumfassende, koordinierte Maßnahmen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft steuern wir geradewegs auf eine gesundheits- und sozial-ökonomische Krise zu“, warnt Ingo Froböse. „Bewegung muss wieder zu einer ganz alltäglichen Routine werden und Sport wieder einen Platz im Zentrum der Gesellschaft einnehmen.“

 


Autor:
Volksbank Herford-Mindener Land – Bild © Sebastian Bahr